Ist doch nicht grandios? Da beendet ein Sportler, dessen Karriere bisher wirklich makellos verlaufen ist, eben diese mit seiner ersten Niederlage. Ende, vorbei. Es gibt scheinbar keine Chance, diese Scharte wieder auszuwetzen und jeder gibt sich damit zufrieden, weil es eben so ist und das Ende der Laufbahn auch vorher angekündigt wurde. Gemeint ist der Weltmeisterschaftsboxkampf im Cruisergewicht (bis 86,128kg) zwischen Henry Maske und Virgil Hill vom 23.11.1996.
Ich sehe noch heute die Bilder vor mir, als wären sie eben erst über die Mattscheibe geflimmert: Henry Maske schleicht nach seinem Kampf, in dem er durch Virgil Hill klar geschlagen wurde – ich weiss nicht mehr, ob nach Punkten oder durch einen technischen K.O. – gesenkten Hauptes gen Ausgang der Halle, in dem gerade seine Karriere mit einem unschönen Erlebnis endete. Er hatte seinen Boxermantel tief in sein Gesicht gezogen. Es schien fast so, als schäme er sich dafür, seinen treuen Fans in der Halle und den Millionen von Zuschauern an den (damals noch vorwiegend Röhren-)Fernsehgeräten zuhause gerade solch eine „unwürdige“ Vorstellung geboten zu haben. Den Träen nah stand er in der Menschenmenge, schaute sich zum Abschied noch einmal in der Halle um, denn er wusste damals wie auch heute, „das kann es nicht gewesen sein“. Im Moment konnte er jedoch nicht viel dagegen tun. Ich glaube, jeder von uns kennt das Gefül der Ohnmacht, das einen umgibt, wenn eine Situation scheinbar aussichtslos zu sein scheint.
Doch in dieser Zeit hat einer der Beteiligten von damals anscheinend nie richtig mit diesem Abend abschließen können. Henry Maske. Als das Gerücht durch die Medien geistert, Henry Maske wolle mit dann schon 43 Jahren noch einmal einen Comeback-Versuch starten, ausgerechnet gegen den Boxer, der ihn als einziger jemals klar im Ring besiegen konnte, war das Feedback nicht durchgehend positiv. Viele sogenannte und echte Experten bezweifelten, dass er sich nach 10 Jahren Ringabstinenz noch einmal würde motivieren können. Außer einem, Henry Maske.
Zu dieser Zeit machte auch Axel Schulz, ehemaliger Weg- und (Box-)Stallgefährte, mit Comeback-Ambitionen von sich aufmerksam. Bei Axel Schulz war ich mir nie so ganz sicher, dass es sich dort lohnen würde. Sorry, aber so recht überzeugen konnte er nie, außer in seinem grandiosen (und von Don King getürkten) Kampf in den Las Vegas/USA gegen Altmeister George Foreman. Der Versuch scheiterte ja nun letztendlich im vorigen Jahr. Seine schmerzliche Niederlage und die Herzprobleme lassen Axel Schulz sicher auch zweifeln, dass sich das alles gelohnt hat. Vom finanziellen Aspekt einmal abgesehen, aber sich dafür ein Leben lang unter ärztlicher Kontrolle befinden zu müssen? Ich weiß nicht so recht…
Ich hatte auch so meine Zweifel, ob sich das Risiko für Henry noch einmal lohnen würde. Sicher, 43 Jahre sind im normalen Leben kein Alter, in dem man(n) sich schon ernsthaft Gedanken über allzu großen körperlichen Verfall machen muss. Da Boxer berufsbedingt regelmäßigstens Krafttraining, Ausdauer- und Konditionstraining machen, war die Basis trotzdem zweifellos noch gegeben. Sein Körper kannte die Strapazen, sich in begrenzter Zeit punktgenau in Höchstform bringen zu lassen. Dass er die ganze Sache aber nicht gemacht hätte, wenn er nicht 100%ig an sich selber glauben würde, war jedoch auch klar.
Sein Gegner, Virgil Hill, hatte inzwischen natürlich auch 10 Jahre mehr auf dem Buckel. Ein großer Unterschied war jedoch, dass er im Gegensatz zu Maske noch aktiv im Geschäft und somit auch im Trainingsrhythmus war. Ach ja, amtierender Weltmeister war und ist er auch noch (es ging hier schließlich nicht um einen Titelkampf – schade eigentlich :) ).
Als wir dann alle Samstag abend gespannt vor dem Fernseher saßen, war nicht ganz klar, was wir erwarten sollten. Würde es eine ähnliche Blamage wie bei Axel Schulz werden, in der ein alternder Profi von einem anderen Profi brutal in Rente geschickt wird? Oder würde der Kampf wenigstens halbwegs ausgeglichen ablaufen? Schließlich stimmten Alter und Kampfgewicht (bis auf 200g Unterschied) fast überein. Gut, Virgil hat über 50 Kämpfe bestritten und davon ich glaube 23 durch K.O. vorzeitig gewonnen. Bei Henry Maske standen wohl ca. 30 Kämpfe auf dem Konto, davon wie gesagt auch eine Niederlage von 1996.
Mit einem Sieg von Henry Maske rechneten wohl nur die wenigsten ernsthaft. Das schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. „Nein, so etwas ist unmöglich! Einfach nicht denkbar!“. Wir haben es gesehen.
Das kommt davon, wenn man(n) sich etwas in den Kopf setzt, dieses Ziel gnadenlos verfolgt und dann entschlossen in die Tat umsetzt. Prima, Henry! Mein Respekt ist Dir gewiss. Wenn er früer schon der Schwarm aller Schwiegermütter war, jetzt sollte er es erst recht sein.
Kurz nach dem Kampf mehrten sich, es war nicht anders zu erwarten, die Rufe nach einem Rückkampf der beiden „Boxrentner“. Virgil Hill meinte, dass es jetzt 1:1 stündet und Henry doch einem Rückkampf zusagen sollte. Aber der flachste nur und lächelte in sich hinein. Manfred Wolke, sein lägjähriger Trainer, Freund und Mentor sagte in einer beliebten Donnerstag-Abend-Sendung auf einem großen deutschen, öffentlich-rechtlichen Sender: „Henry hat seiner Frau (Manuela) versprochen, nur noch einen einzigen Kampf zu bestreiten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er dieses Versprechen nicht brechen will und es auch nicht wird“. Ich hoffe, Henry besitzt auch in diesem Punkt so viel Willensstärke, dass er sich nicht durch die nun zweifellos eintrudelnden Angebote für weitere Kämpfe in Millionenhöhe wird locken lassen. Bleib‘ stark, Henry!
Ich finde, das ganze „Theater“ war eines der gelungensten Comebacks eines Sportlers seit langem! Hätte Axel Schulz mal lieber mit dem Henry trainiert…